Wie Corinna Menze aus Dehmke 30 Tage ohne Auto erlebt
DEHMKE. Während der Fastenzeit verzichtet Corinna Menze aus Dehmke auf das Auto – auf dem Dorf gar keine kleine Herausforderung. Über ihre Erlebnisse und wie das Experiment nach zwei Wochen durch Corona ausgebremst worden ist, berichtet sie in einem Internetblog.
veröffentlicht am 22.03.2020 um 11:00 Uhr
Autor: Sabine Brakhan Reporterin
Es ist Fastenzeit – noch bis Ostern. Die einen verzichten auf Süßigkeiten, die anderen schränken ihren Handy-Konsum ein. Corinna Menze hat sich einem besonderen Experiment angeschlossen. Sie verzichtet – soweit es möglich ist – für 30 Tage auf ihr Auto. Über ihre Erfahrungen berichtet sie in einem Internetblog. Für viele Teilnehmer dieser Challenge sind die Voraussetzungen sicher einfacher als für die 41-Jährige, denn: Corinna Menze wohnt nicht irgendwo in der Stadt, sondern in Dehmke, einem der kleinen Bergdörfer im Flecken Aerzen.

Darüber hinaus ist sie alleinerziehende Mutter zweier Grundschulkinder mit jeder Menge Vereinsaktivitäten in den umliegenden Dörfern, berufstätig in Hameln und ehrenamtlich Ortsbürgermeisterin der Ortschaft Dehmkerbrock. Kurzum: Gefühlt war sie vor dem Experiment eigentlich immer irgendwo und mit irgendjemandem unterwegs und das bisher vorwiegend mit dem Auto.
Dass die Challenge nach nur 14 Tagen vom Coronavirus ausgebremst wird, hätte Corinna Menze nicht gedacht. Richtig hoch motiviert waren die Dehmkerin und ihre Kinder Ronja (10) und Robin (8) in die Challenge gestartet und hatten, sooft es möglich war, das Auto stehen lassen und gemeinsam den Bus genommen beziehungsweise waren mit dem Fahrrad gefahren. „Nur in Ausnahmefällen haben wir auf das Auto zurückgegriffen“, berichtet die Zweifachmama.
Was waren das für Ausnahmefälle? „Zum einen, wenn die Kinder am späten Nachmittag noch zum Training nach Groß Berkel mussten und die Busverbindung dann einfach nicht mehr passte beziehungsweise es gar keine mehr gab, wie an den Wochenenden. Zum anderen, wenn das Wetter mit Sturm und Regen einfach nicht fahrradfreundlich war“, zählt Corinna Menze auf. Sie selber hatte in diesen ersten 14 Tagen im Bus nette Begegnungen. Unter anderem traf sie einen ehemaligen Kollegen wieder – der Busfahrer hatte sie bereits in seinem Bus erwartet.
Darüber bekam sie bisher jede Menge positive Resonanz auf ihren Blog (blog.targetgmbh.de/autofrei-challenge), wo sie in einer Art Tagebuch ihre täglichen Erfahrungen unterhaltsam und informativ schildert. Sogar ihr Postbote verfolgt die Einträge und hat ihr zu der Aktion gratuliert.
Corona bremst das Experiment aus
Seit Woche drei ist nun alles anderes: Die Schulen in Niedersachsen wurden geschlossen, Vereine haben ihre Aktivitäten eingestellt und Arbeitgeber schickten ihre Angestellten in die Heimarbeit. Corinna Menzes Kinder haben Coronaferien und sie selber ist im Homeoffice. Auf einmal ist es für die kleine Familie gar nicht mehr so schlimm, auf dem Dorf mit Garten zu wohnen und nicht in der Stadt mit gesperrten Spielplätzen. So hatte sie sich allerdings das Kilometereinsparen nun wirklich nicht vorgestellt.
Die Halbzeitbilanz: 354 eingesparte Kilometer. Bei einer Fahrstrecke von insgesamt 444 Kilometern bedeutet das eine Ersparnis von fast 80 Prozent. Damit hat sie die Kosten für die Monatskarte schon raus. Corinna Menze ist 29 Kilometer mit dem Rad gefahren, hat 21-mal den Bus genommen, siebenmal eine Mitfahrgelegenheit genutzt und ist 6,5 Kilometer zu Fuß gegangen. Auf dem Kilometerzähler ihres Autos sind lediglich 90 Kilometer mehr aufgelaufen.
Ich habe irre viel positives Feedback zum Blog erhalten! Das zeigt, dass das Thema echt auf Interesse stößt.
Corinna Menze über ihre Erfahrung aus dem Selbstexperiment
Sie führt auch nach dem Corona-Shutdown ihr Tagebuch fort. Statt den täglichen Erfahrungen ohne Auto macht sie sich über Radwege, Öffi-Anbindungen und Mitfahrgelegenheiten Gedanken. Ihr Arbeitgeber, die target GmbH, erarbeitet zurzeit für den Landkreis Hameln-Pyrmont ein Konzept zur Förderung von Maßnahmen zur klimafreundlichen Mobilität im heimischen Landkreis. Auch die Erfahrungen aus dem Selbstexperiment werden dabei eine Rolle spielen. Dafür sammelt die Dehmkerin übrigens noch Beispiele, wie andere Dörfer sich hinsichtlich Mobilität behelfen (menze@targetgmbh.de). Ihre Monatskarte hat Corinna Menze bereits zu den Akten gelegt oder genauer gesagt in ihren Terminkalender geklebt – mit einem Versprechen: Sie soll nicht allein bleiben.
Ihr persönliches Fazit der Aktion: „Ich habe irre viel positives Feedback zum Blog erhalten! Das zeigt, dass das Thema echt auf Interesse stößt“, konnte sie feststellen. Vieles ist möglich, wenn man bereit ist, sein Verhalten zu verändern, so ihre Meinung. „Der ländliche Raum braucht für eine Verkehrswende die entsprechende Infrastruktur wie beispielsweise Rad- und Fußwege und bessere Öffi-Anbindung“, fordert Corinna Menze.
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